Friedrich Christian Delius, FCD

Jörg Plath

Jörg Plath: Weltmeister

Seine Vornamen liefern einen, wenn auch nicht den einzigen Schlüssel zu seiner Person. Sie passen nämlich so, wie sein Träger sie abkürzt, zu einem Fußballverein. Dabei steht das F.C. für einen preußischen Konsul, für Friedrich Christian. Von beidem gleichermaßen zu erzählen, vom Offensichtlichen und dem Verborgenen, vom Gegenwärtigen und der Tradition, das darf wohl zumindest in einem feuilletonistischen Geburtstagsgruß die schriftstellerische Eigenart des F. C. Delius genannt werden.
F. C. Delius ist ein schüchterner Zauderer mit dem Image eines 68-er Heißsporns. Er selbst nennt sich einen 66-er. „Ich bat um ein Streichholz“, heißt es in seinem ersten Gedichtband „Kerbholz“. „Man gab mir eine / volle Schachtel. // Also / gehe ich umher als / Brandstifter.“ Einer aus Gelegenheit, nicht aus Mutwillen.
„Kerbholz“ erscheint 1965 im Verlag Klaus Wagenbach, dessen Lektor Delius 1970 wird. Er gehört zu jenen Angestellten, die kollektive Lektoratsentscheidungen fordern*) – für Wagenbach „eine schwachsinnige Idee“. Zermürbt trennt man sich 1973, Delius wird bis 1978 Lektor im neuen Rotbuch Verlag. Vor Jahren bedauerte er, dass es zwischen den Kontrahenten niemals zu einer Aussprache kam.
Der neue Verlag besitzt mit Delius’ satirischer Festschrift „Unsere Siemens-Welt“ (1972) einen gefährlichen Bestseller: Siemens prozessiert jahrelang, und Rotbuch muss die Szene um Solidaritätsspenden wegen 30.000 DM Gerichtskosten bitten. Delius, der in dieser Zeit Stücke von Heiner Müller unter dem Hemd über die Grenze schmuggelt, hält die Dokumentarliteratur fortan für zu riskant. Neben Lyrik und Satiren schreibt er nun Romane, zunächst eine Trilogie über den Deutschen Herbst: „Ein Held der Inneren Sicherheit“ (1981), „Mogadischu Fensterplatz“ (1987) und „Himmelfahrt eines Staatsfeindes“ (1992). Immer ist der zeitliche Rahmen knapp bemessen, immer erzählt Delius vom psychologischen Innenfutter einer Ausnahmesituation und fragt erzählend nach den Auswirkungen der großen Politik auf das Individuum.
Nicht anders geht es in jenen Romanen zu, in denen Delius eigene und generationsspezifische Aufbrüche mit souveräner Ironie behandelt: In „Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde“ (1994) schenkt die Rundfunkübertragung des WM-Finales von 1954 einem Jungen, der auf seinen autoritären Pfarrervater mit Stottern, Schuppen und Flechten reagiert, befreienden Jubel und Überschwang. In „Amerikahaus und Der Tanz um die Frauen“ (1997) findet der gehemmte Student Martin durch eine Demonstration zu den Frauen. Allerdings, das Glück ist eigenwillig, wird der Pazifist von einer israelischen Soldatin verführt.
F. C. Delius ist ein produktiver Autor, der sich zunehmend klassischer Erzählformen wie der Novelle bedient. Gerade ist „Warum ich schon immer Recht hatte – und andere Irrtümer“ (Rowohlt Berlin) erschienen, eine Sammlung von Glossen, Einwürfen und Überlegungen von A bis Z. Unter „L“ bezeugt das einst jüngste Mitglied der Gruppe 47 Königin Luise von Preußen seine Verehrung. Friedrich Christian Delius feiert heute seinen 60. Geburtstag.

*) Hier irrt Plath, siehe “Peter Schneider und der ‘Lenz’ als Geburtshelfer des Rotbuch Verlags”

(Der Tagesspiegel, 13.2.2003)

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