Friedrich Christian Delius, FCD

Literaturtest

Was Leser sehen wollen


Auf dem Stoppelsberg in der Vorderrhön erzählt Konrad Zuse, der Erfinder des Computers, seine Lebensgeschichte – launig, assoziativ, meinungsstark. Was macht diese Situation so besonders, dass er sich ausgerechnet dort und zu diesem Zeitpunkt offenbart?

Unter dem Stoppelsberg hatte Zuse seine Werkstatt in den fünfziger Jahren, unter dem Stoppelsberg, fünf Kilometer entfernt, bin ich aufgewachsen. Er liegt in der „logistischen Mitte Deutschlands“, wie man heute sagt, keine zwölf Kilometer Luftlinie von Amazon in Bad Hersfeld. Das sind schon vier gute Gründe …

Sie lassen Konrad Zuse in Ihrem Band erstmals von seiner abenteuerlichen Affäre zu Ada Lovelace erzählen – die ja bereits im 19. Jahrhundert lebte. Was hat es auf sich mit dieser speziellen Beziehung?

Ja, wenn ich das in einem Satz sagen könnte, hätte ich den Roman nicht geschrieben. Liebe, auch bei größeren Altersunterschieden, will erzählt werden – und nicht erklärt.

Musen haben im Leben und Wirken von Künstlern ihren festen Platz. Warum ist der Eros bei technisch Kreativen in der Regel weniger präsent?

Die griechische Mythologie hat vor 3000 Jahren die Musen erfunden. Vielleicht sollten wir heute auch den Erfindern und Technikern Musen gönnen. „Ohne Eros“, heißt es im Text, „entwickelt sich nichts, nicht einmal der Bau von Rechenmaschinen.“ – ich nehme an, dass die technisch Kreativen da nicht widersprechen werden.

Ihr Zuse ist nicht der nette „Erfindergeist“ und „Formelfummler“, sondern ein durchaus eitler, aber offener und analytisch brillanter Forscher, der auch in hohem Alter diese unbändige Lust an Gedankenexperimenten verspürt. Ist das der Zuse, den sie auch persönlich kennengelernt haben?

Meine Begegnung mit ihm war zu kurz, um hier eindeutig Ja zu sagen. Aber Leute, die ihn besser kannten als ich, bestätigen mir, den Mann ganz gut getroffen zu haben.

„Angestiftet“ zu diesem Band habe Sie u.a. ein Vortrag von Konrad Zuse über „Faust, Mephisto und der Computer.“ Wieviel Faustisches steckte in Konrad Zuse, er selbst geht ja durchaus auf Distanz zu Goethes Forscher!

Die Distanz gehört dazu. Aber das Faustische hat Zuse immer wieder beschäftigt. Und weil das in verschiedenen Lebensphasen immer wieder anders durchschlägt, mal mehr, mal weniger, mal direkt, mal widersprüchlich, kann auch diese Frage nur die Lektüre des Romans beantworten.

An Konrad Zuse erinnert zwar eine Messingtafel in der Kreuzberger Methfesselstraße, bekannt ist er aber eher nur in Fachkreisen. Ist es ein Anliegen Ihres Buches, auch daran etwas zu ändern?

Die Grundidee zu diesem Roman (auch mit der Verbindung zu Ada Lovelace) hatte ich vor 24 Jahren, als Zuse noch viel unbekannter war als heute. Mich interessierte die komplexe Erfinderpersönlichkeit. Es wäre vermessen gewesen, wenn ein kleiner Romanautor die Absicht gehabt hätte, einen großen Erfinder „bekannter“ zu machen. Wenn das Buch jetzt den Nebeneffekt hat, dass Zuse über die Fachkreise hinaus bekannt wird, dann ist das natürlich in meinem Sinn. Außerdem: Viele kennen heute den Namen Zuse. Aber seine wirklich abenteuerliche Geschichte kennt bislang kaum jemand. Daran wird das Buch hoffentlich einiges ändern.

Die Fragen stellte Henrik Flor
(literaturtest.de)

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